Im Gespräch mit Acryl-Künstlerin Claudia Gubser

#Farbenwelt

«Das Malen hat mich gelernt, auszuhalten!»

«Einer nachhaltigen Veränderung geht oftmals viel Chaos und Irritation voran», sagt die Künstlerin Claudia Gubser. Einst mit dem Traum als Kinderkrankenschwester zu arbeiten, drückt sie heute ihre Gefühle in wundervollen Acrylgemälden aus. Sie beschreibt sich selbst als wahrnehmungsreich, kraftvoll und ebenso zart besaitet. Wie Claudia ihre Tage und Nächte verbringt und wie sie aus der Coronakrise Positives zieht, erzählt sie im Gespräch mit mattwerk.

Claudia, ich erlebe dich im Alltag als ordentliche Person. Hier im Malatelier herrscht für mich ein sichtbares Chaos.

Findest du? Ich würde es eher als chaotische Ordnung bezeichnen. (lacht)

mattwerk lässt Farbkonzepte anhand von einem groben Leitfaden entstehen. Wie ist das Vorgehen bei der Malerei?

Nachts, wenn die Ruhe mich umgibt, tauche ich in Begleitung von Musik – die mein Mann mir zusammengestellt hat – in den Malprozess ein.

Ein Bild beginne ich mit voller Schöpferkraft und oft ein wenig verloren in der grossen Welt der Möglichkeiten. Anfänglich liegt der Fokus auf der Untergrundarbeit. Hier werden Aspekte wie „der goldene Schnitt“, „Licht und Schatten“ sowie „Kontraste“ berücksichtigt. Am liebsten arbeite ich auf grossformatigen Leinwänden und bearbeite sie, unter Einbezug verschiedenster Techniken, mit Struktur für die 3D-Optik. Anschliessend wird die dominierende Farbe in dunklen und hellen Varianten gemischt und auf der Leinwand mit Spachtel, Pinsel, Schwamm oder den Händen aufgetragen.

Das Bild erhält seine Tiefenwirkung durch den Auftrag mehrerer Farbschichten. Beim Aufbau wandern kalte Farbtöne tendenziell in den oberen Bildbereich. Jeder Farbton wird im Bild mindestens ein zweites Mal platziert. Diese Merkmale und noch einige mehr, die wie automatisiert zum Einsatz kommen, lenken mich nicht von der unermüdlichen Suche nach Sinnlichkeit ab. Natürlich gibt es auch hin und wieder Verwerfungen oder es entsteht etwas aus Zu-Fall. Manchmal ist das werdende Bild zu langweilig und ich muss mutmasslich und mit grosser Dynamik neue Ufer betreten.

Bis zu den Morgenstunden ist das Bild angelegt, erwachsen unter meinen Händen mit viel Gespür und einer Art Begeisterung. Zum Fertigstellen benötige ich meist eine Woche. Erst, wenn es nach einer weiteren Woche bei mir im Wohnraum hängt und ich keine Stelle mehr finde, die mich stört, ist das Kunstwerk vollendet. Das Bild kann nun sinnbildlich eine Brücke zwischen dem Künstler und Betrachter schaffen, weil es voller Gefühle, Intuitionen und Gedanken ist – ein künstlerisches Handwerk mit geistigem Gehalt.

Wie lässt du dich inspirieren?

Wo auch immer ich in der Natur unterwegs bin, ist mein Blick geschärft für die verschiedensten Motive, Farbnuancen und Formen. Genau diese „elements of surprise“ zeigen sich mir bei der Arbeit am Bild.

In der Farbgestaltung gibt es wiederkehrende Farben oder Gestaltungselemente. Beobachtest Du Zyklen, wo du selbst gewisse Farben öfters verwendest?

Ja, die gibt es durchaus. Picasso malte in blauen Farbtönen und gab damit dem Kummer, der Schwermut und Melancholie Ausdruck. Eine blaue Periode kenne ich auch und deshalb stelle ich fest, dass äussere Lebensumstände die Farbwahl nachweislich beeinflussen können.

Weiter erkannte ich, dass die ersten Sonnenstrahlen im Frühling, die Leichtigkeit des Sommers, das Ende der Vegetation im Herbst, wenn sich die Energie in die Wurzeln zurückzieht, auf meine Wahl der Farbgebung einwirken. Der Jahreskreis färbt sich auf die Gefühls- und Gedankenwelt ab und dementsprechend kommen auch meine Bilder in den entsprechenden Farben daher; mal frisch und luftig mit Grünnuancen oder warmes kräftig wirkendes Orange-Bordeauxrot mit gebranntem Siena für Erdung und Geborgenheit.

Beschäftigst du dich mit der Wirkung von Farben oder ist das ein intuitiver Prozess?

Die Beschaffenheit und Anwendungsmöglichkeiten, die Wirkung und Bedeutung der Farben, konkret „die Lehre der Farben“ zu kennen, ist unabdingbar. Für den Kursalltag habe ich hierzu verschiedene Dossiers zusammengestellt, denn das Wissen darüber bildet für die Malerei ein unglaublich grosses Spektrum an Ausdrucksvarianten.

Im Laufe der Zeit, ich male seit 30 Jahren, habe ich ein gutes Farbgefühl entwickelt. Das Vokabular der Farben setze ich in der Bildentstehung ein, doch die Ausgangsfarbe ist meist ein intuitiv gewählter Farbton, der im Bild nebst dem Sujet die Hauptrolle übernimmt. Meine Bilder sind nicht vielfarbig, aber ich erlaube mir des Öfteren mich an etwas ungewohnte Farbkombinationen heranzuwagen. Schon beim Auftragen freue ich mich über das Gefühl des Wagnisses, wenn ich zum Farbton Türkis ein Violett geselle.

Du hast vorhin kurz deine Malkurse erwähnt. Spürst Du Vorlieben, was Kunden lernen möchten?

Im Kunstatelier Luzern vermittle ich in prozesshaften Schritten die Kunst der Acrylmalerei und gehe dabei gemäss Kursausschreibung vor. Die Palette der anwendbaren Maltechniken ist in der Kategorie „Acryl Mischtechnik“ unglaublich vielseitig, fast unausschöpfbar. Sie ermöglicht das Wechselspiel von raschen Farbaufträgen und gleichzeitig das Ausarbeiten feiner Details.

Während ich Neuankömmlingen das reliefartige Bearbeiten der Leinwand für eine spannende Oberflächenstruktur zeige, erstmals etwas über den Farbkreis, die Farblehre und Bedeutung der Farben erkläre, arbeiten Fortgeschrittene an ihren Wunschbildern und werden von mir kontinuierlich begleitet. Ihre Motive, Farbtöne und Techniken wählen sie selbst.

Ein sehr beliebtes Bildsujet ist zurzeit das „Blumen- und Blütenmeer“. Wohl aus gegebenem Anlass, da neben der dankbaren und kreativen Zeit im Atelier die Spaziergänge in der Natur an Bedeutung gewonnen haben.

In den sieben Jahren als Kursleiterin stets beliebt geblieben ist das Herausschälen von Figuren aus dem reliefartigen und farbschichtigen Leinwanduntergrund, in gegenständlicher tänzerischer Form oder nur als Andeutung.

Die Kulturszene leidet stark. Erzähle uns was zu deiner neu geschaffenen Perle, dem Artfenster.

Optimismus trotz Corona.

Meine Ausstellungen und Teilnahmen an Kunstmärkten wurden im vergangenen Jahr gänzlich abgesagt. Diese Vollbremsung für Kultur- und Kunstanlässe liess mich innehalten. Ein leerstehendes Schaufenster an meinem Wohnort Inwil, direkt an der Hauptstrasse, erregte meine Aufmerksamkeit. Ich erweckte „das Artfenster“ zum Leben – ein Fenster mit meiner Malerei. Eine Möglichkeit meine Kunst in neuer Weise nach aussen zu tragen und Bilder zum Verkauf anzubieten.

Es präsentiert sich fast wöchentlich in einem neuen Look und viele Eibeler erfreuen sich am wechselnden Schaufensterbild. Das macht mich sehr glücklich – neue Projekte beflügeln!

Zum Schluss eine Frage aus dem Freundschaftsbuch: Wenn Du eine Farbe wärst, welche wärst Du?

Signalrot (Lascaux) – immer eine Akteurin, übers Blut mit Lebensenergie, übers Feuer mit unerschöpflichem Kraft- und Ideenreservoir ausgestattet. Rot ist eine Farbe von höchsten Gefühlen, präsent und intensiv.

Claudia Gubser, ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch. Spannend zu hören, wie deine #Farbenwelt aussieht!

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